Pressemitteilung des
Vereins zum Schutze des Rheins und seiner Nebenflüsse (VSR-Gewässerschutz)

Salzwasser statt Süßwasser

Werra immer noch salzigster Fluß in Deutschland – und kein Ende in Sicht

Chloride kommen als leicht lösliche Salze in geringen Konzentrationen bis 100 Milligramm pro Liter durch die Einträge aus den Kläranlagen, durch Dünger- und Streusalzeinsatz überall in den Flüssen vor. Ist ihre Konzentration aber zu hoch schädigt sie nicht nur das Leben im Wasser; es ist dann auch nicht mehr als Brauch- oder als Trinkwasser für die Menschen geeignet.

Innerhalb einer geringer Fließstrecke steigt die Chloridkonzentration in der Werra extrem an. Lagen die Chloridkonzentrationen im Juli 2003 in Bad Salzungen noch bei normalen 65 Milligramm Chlorid pro Liter, so fanden die Spezialisten vom „VSR-Gewässerschutz“ bei ihren Messungen im Heringer Ortsteil Widdershausen über 1700 Milligramm pro Liter an der Wasseroberfläche. Am Grunde der Werra ist die Konzentration noch wesentlich höher, da die eingeleitete Salzlauge der Kalibergwerke schwerer als Wasser ist und sich erst langsam mit der Werra mischt. So steigen die Meßwerte der Gewässerschützer bis nach Harleshausen auf Werte oberhalb von 2300 Milligramm pro Liter an. Erst beim Zusammenfluß mit der Fulda in Hann. Münden sinken die Konzentrationen dann wieder unter 1000 Milligramm ab, da vorher keine größeren Nebenbäche das versalzte Wasser der Werra ausreichend verdünnen.

Bei weiteren Untersuchungen im Raum Hann.-Münden Ende Dezember sanken die Chloridkonzentration von 1860 Milligramm pro Liter in Folge der Verdünnung durch das Fuldawasser in der Weser gerade einmal auf 750 Milligramm pro Liter. Trotz des Zuflusses verschiedener großer Bäche ist die Salzbelastung selbst in der Norddeutschen Tiefebene jenseits des Teuteburger Waldes immer noch stark erhöht. So stellten die Mitarbeiter der Unweltschutzorganisation bei ihren Messungen im Sommer in Minden 448 Milligramm Chlorid pro Liter und in Stolzenau 375 Milligramm fest. Bei solchen Werten kommt es zwangsläufig zu Schädigungen der Pflanzen und Algen, da diese in unserer Region darauf eingestellt sind, Süßwasser zum Leben aufzunehmen. Sie können die im Wasser vorhandenen Nährstoffe nicht mehr optimal für ihr Wachstum verwenden; die Selbstreinigungsfähigkeit des Flusses sinkt stark ab. Hohe Nitratkonzentrationen von 18 Milligramm Nitrat pro Liter zeichnen ein klares Bild. Die im Fluß transportierten Nährstoffe wie Nitrate werden nicht mehr von den Pflanzen aufgenommen, sondern mit dem Wasser in die Nordsee gespült, wo sie zur Eutrophierung führen.

Aber nicht nur das Leben im Fluß wird durch die hohen Salzbelastungen geschädigt. Das Weser- und Werrawasser dringt in die begleitenden Grundwasserschichten ein und versalzen diese. Gerade Gartenbesitzer und Landwirte in den Niederungen von Weser und Werra, die ihr Wasser zum Bewässern der Pflanzen im eigenen Brunnen fördern, können hierdurch ihre Pflanzen schädigen. Die Gewächse unserer Region sind darauf eingestellt mit ihren Wurzeln Süßwasser aufzunehmen. Zu salzhaltiges Grundwasser kann ihre Wurzeln und den Wassertransport in der Pflanze stören. Die Blätter verfärben sich vom Rande her bräunlich und die Pflanze kann so stark geschädigt werden, dass sie abstirbt. Das gleiche kann passieren, wenn man im Garten mit versalztem Wasser gießt. Daher ist weder Weser- noch Werrawasser in der Landwirstschaft für die Bewässerung geeignet. Gerade bei auftretenden Hochwasserereignissen kommt es zu einer weiträumigen Versalzung der Oberfläche und der oberen Grundwasserleiter.

Außerdem kann aus dem mit den Chloriden belasteten Wasser mit wirtschaftlich vertretbaren Maßnahmen kein Trinkwasser mehr gewonnen werden. Die Anrainer sind auf Wasservorräte aus dem Hinterland angewiesen. Auch zum Anreichern von Grundwasser ist es nicht mehr geeignet. Die UNO hat in ihrem letzten Weltwasserwirtschaftsbericht „Water for People – Water for Life“ das Umgehen der Deutschen mit ihrem Wasser gerügt. Bei der Bewertung von 122 Ländern auf der Erde erreicht das hochindustrialisierte Land im Zentrum Europas, dessen Politiker sich regelmäßig als Vorreiter im Umweltschutz rühmen gerade einmal bei der Bewertung der Wasserqualität den Platz 57, wogegen unsere Nachbarländer Frankreich, Schweiz, Österreich und Niederlande unter den ersten 21 zu finden sind.

Die Ursachen für diese hohen Salzbelastungen liegen hauptsächlich in den Einleitungen der Kaliwerke des Konzerns Kali & Salz im Hessischen-Thüringischen Grenzgebiet. Durch die Anlage der Halden und dem Verpressen salzhaltiger Sole kommt es zu einer enormen Belastung des Grundwasser. Dieses sickert dann der Werra zu und belastet den Fluß zusätzlich mit Chloriden. Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten förderten die Bundes- und Länderregierungen zwar mit erheblichen Mitteln die Sanierung der maroden Abwassersituation der im Raum Heringen – Vacha angesiedelten Kalibergwerke – aber viel Erfolg war nicht zu verzeichnen. Zwar ging die Chloridkonzentration Anfang der 90 iger Jahre deutlich zurück, aber in den Jahren 1996 und 1997 stiegen die Werte wieder stark an. So erreichten im Sommer 97 die Chloridkonzentrationen in der Werra wieder Ostseewerte und ein massives Fischsterben war zu beobachten. Auch wenn Kali & Salz vollmundig in ihrem Umweltbericht 2001 tönt, „Gewässerschutz, ..., konsequente Abfallvermeidung und gezielte Umweltüberwachung haben einen hohen Stellenwert bei K+S. Hier haben wir in den letzten Jahren weitere Erfolge erzielt.“ , fanden die Spezialisten vom VSR-Gewässerschutz im letzten Sommer in der Werra noch Chloridkonzentraitonen von 2350 Milligramm pro Liter - ein Wert, der in einem Süßwasserfluß nichts zu suchen hat.

Im November hat der Regierungspräsident in Kassel eine neue Einleitergenehmigung erteilt, die die Versalzung der Werra für die nächsten neun Jahre erlaubt. Der bereits von der Salzkommission 1947 festgelegte Grenzwert von 2500 Milligramm pro Liter im Werrawasser wurde neu verankert und als Grenze festgeschrieben. Derart hohe Grenzwerte sind in Mitteleuropa sonst nicht gegeben. Die Sodafabriken in Lothringen dürfen die Mosel nur bis zu einem Wert von 400 Milligramm pro Liter und die Kaliminie von MDPA im Südelsaß den Rhein an der Niederländischen Grenze nur bis 200 Milligramm pro Liter aufsalzen.

„Die hessischen Politiker haben hier unverantwortlich hohe Einleiterwerte erlaubt.“ so Susanne Bareiß-Gülzow, Vorsitzende vom VSR-Gewässerschutz. Bei einem derart hohen Grenzwert sind weiterhin hohe Schwankungen des Salzgehaltes in der Weser vorprogrammiert. Zu stark ist der Einfluß der Wasserführung der Fulda und der anderen Nebenbäche. Es werden sich weiterhin keine stabilen Lebensgemeinschaften einstellen können. Auch werden die Grundwasserleiter im Werra- und Wesertal je nach Wasserstand weiterhin belastet und der menschlichen Nutzung entzogen.

Auch in diesem Jahr werden die Spezialisten vom VSR-Gewässerschutz ihre Messungen im Weser-/Werraraum fortsetzen, um ein noch exakteres Bild der Chloridbelastungen im weser- und werranahem Grundwasser zu erhalten. Auch privat genutzte Brunnen sollen dabei wieder bewertet werden. Weitere Informationen über die Arbeit und den Ergebnissen der Messungen der Umweltschützer können interessierte Bürger auf der Web.Seite www.VSR-Gewaesserschutz.de nachlesen oder in der Zentrale in Geldern, Tel. 02831 976523 anfordern.

Pressemitteilung des
Vereins zum Schutze des Rheins und seiner Nebenflüsse (VSR-Gewässerschutz)
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www.vsr-gewaesserschutz.de

Geldern, im Februar 2004
Dipl.-Phys. Harald Gülzow
Pressesprecher
Weitere Infos über unsere Arbeit, sowie die Meßergebnisse der Untersuchung können Sie auch unserer Web.Seite www.VSR-Gewaesserschutz.de entnehmen.
Diese Pressemitteilung ist dort auch nochmals abgelegt.

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News Februar 2004