Sensationeller
Fund an der Werra: altes Römerlager entdeckt
06.04.2004
Fachleute sprechen von
einer wissenschaftlichen Sensation: An der Werra bei Hedemünden im Kreis
Göttingen haben Archäologen ein großes Römerlager aus
dem ersten Jahrzehnt vor Christus entdeckt. Die Hauptanlage auf einem Hügel
ist 350 mal 150 Meter groß und von Wall und Graben umgeben. Aus Angst
vor Grabräubern wurde der Ort zunächst geheimgehalten. Am Dienstag
konnten Experten aus ganz Deutschland den Fundort und die Funde besichtigen.
Versorgungsstelle auf dem Weg nach Norden?
Außer der
großen Anlage gibt es noch mehrere kleinere Lager, die ebenfalls von
Wällen und Gräben umgeben sind. Kreisarchäologe Klaus Grote
glaubt, das Hauptlager könnte dazu gedient haben, die römischen
Legionen auf ihrem Zug nach Norden zu versorgen. Im Lager standen vermutlich
Holzhäuser, mit Sicherheit aber Zelte. Das lässt sich aus Zeltheringe
schließen, die die Wissenschaftler gefunden haben. Viele Streitäxte,
Stoßlanzen, Sicheln, Katapult-Bolzen, Münzen und auch ein Glockenklöppel
lagen ganz dicht unter der Oberfläche. Kreisarchäologe Grote präsentierte
seinen Kollegen zahlreiche gut erhaltene Funde aus Eisen, Bronze, Ton und
Silber.
Bei früheren Grabungen nicht gefunden
Die mit vier Toren versehene große Befestigung sei den örtlichen
Archäologen längst bekannt gewesen, sie hätten sie aber zeitlich
nicht einordnen können, berichtete Grote. Bei Grabungen der Universität
Göttingen waren 1965 noch keine Hinweise auf römische Legionäre
gefunden worden. Bisher haben Wissenschaftler nur fünf der kleineren
Lager grob auf ihre Baugeschichte untersucht. Vermutlich handele es sich um
Marschlager für größere Truppenteile, die jeweils nur kurze
Zeit benutzt worden seien.
Grabräuber als Hinweisgeber
Letztlich haben Grabräuber die Archäologen auf die Spur gebracht:
Durch Mittelsmänner erfuhr Grote, dass Grabräuber auf dem Berg römische
Münzen gefunden hatten. „Elektrisiert“ habe er im Winter
mit seinen Mitarbeitern das Gelände mit Metalldektoren systematisch abgesucht
und jedes Metallteil kartiert. Nachdem es getaut hatte, wurden sie sofort
fündig: Nur 20 Zentimeter tief in der Erde konnten sie die erste von
bisher vier eisernen Streitäxten bergen. Insgesamt 250 Objekte wurden
ausgegraben. Einige lagen direkt unter dem Laub auf der Erde. Grote hofft,
dass Raubgräber nun nichts mehr finden können.
Gebaut als die Römer nach Norden zogen
Die Fachleute halten es für am wahrscheinlichsten, dass die Wehranlagen
an der Werra im Zusammenhang mit den Feldzügen unter Nero Claudius Drusus
errichtet wurden. Dieser sei mit seinen Legionen von Mainz über die Werrafurt
bei Hedemünden in das cheruskische Gebiet nach Osten bis an die Elbe
vorgestoßen. Im ganzen Bundesgebiet lassen sich die entdeckten römischen
Militärlager aus dieser Zeit „an zwei Händen abzählen“,
sagte Grote. Die Wissenschaft sei froh über jedes Lager, das nachgewiesen
werden könne. So vervollkommne sich unser Bild des früheren römischen
Reiches an seiner Nordgrenze.
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